Biografiepflicht und Werkwille – Verzicht von Liebe und Leben zugunsten von Werk und Wirken
Referent: Bazon Brock
Vortrag am 28.05.2016 um 19 Uhr
Galerie Wedding – Raum für zeitgenössische Kunst
Es hat lange gedauert, bis man entdeckte, dass jeder Mensch eine Biographie hat, nicht nur Staatengründer, Religionsstifter und Künstler. Man wurde geradezu biographiepflichtig. Das Leben erschien erst beachtenswert, wenn jemand es der Erzählung für würdig hielt oder man es selbst erzählen konnte (als Autobiographie).
Die entscheidende Wirkung hatten aber Biographien, weil sie dazu anhielten, das eigene Leben unter Gesichtspunkten zu planen, die eine strukturierte Erzählung überhaupt ermöglichten. Mit dem Lebensplan und seiner Verwirklichung wurde das Leben selbst zu einem Werk.
Die Biographiepflichtigkeit von Jedermann wird vor allem ausgewiesen durch die Anforderung, jeder Bewerbung einen „Lebenslauf“ beizufügen. Seine Abfassung zwingt den Bewerber zumindest ansatzweise, Biographie als Zeitform anzuerkennen. Die Zeitform manifestiert sich in der Verknüpfung des bisherigen Lebens in der Rückschau mit der Voraussicht in die Zukunft. Ein erfolgreicher Bewerber garantiert Kontinuität des bisher Erreichten, also die Kontinuität einer Entwicklung, von der man sich viel versprechen kann.
Aus: Die Macht des Alters, 1998
Tiefer Eindruck – Fußspurendenkmal
Frankfurt, Galerie Patio 1968
Mein Gott, was ist los?
Bauphase II eines fortschreitenden Denkmals zu ebener Erde
Aktion und Plakat: Frankfurt (Bockenheim), 1964; Galerie Sydow Berlin, 1965
Ich band einem Schuljungen mein Foto auf den Rücken und folgte dem Bildträger durch Frankfurts Straßen, wobei ich gegen Laternenpfähle und Passanten stieß – stets mein Porträt mit den Augen fixierend. Ich wollte damit zeigen, wohin es führt, wenn man – wie der moderne Künstler – allein sich selbst im Auge hat.
Alice in den Städten
Wedding Campus
27.05.2016 bis 04.06.2016
Galerie Wedding
Raum für zeitgenössische Kunst
Müllerstraße 146-147
13353 Berlin
www.galeriewedding.de