How to perform a collective

Partizipative Strategien & Translokale Perspektiven

(20. – )23.06.2022

Eine Veranstaltung der bedingungslosen akademie
am Wasserschloss Quilow

mit AHAOK, Pauline Doutreluingne, Anne Duk Hee Jordan, Dafne Narvaez Berlfein, Kathrin Pohlmann, Donata Rigg, Wayra Schübel, Viron Erol Vert, Raul Walch

In Zeiten nicht enden wollender Katastrophenmeldungen ist der Bedarf nach gemeinsamem Sein und Handeln aktueller denn je. Die Krisen der Gegenwart verlangen dem Einzelnen viel ab, werfen aber vor allem die Frage auf, wie wir als (soziale) Gesellschaft, politische Gruppe, künstlerisches Kollektiv – und letztlich als Menschheit in Zukunft agieren wollen.

Auch wir, Künstler:innen an der Schnittstelle zwischen Kunst, Politik, Intervention, Vermittlung und Literatur, knüpfen an diesen Gesprächsbedarf an: Wie können wir wieder Raum für Kommunikation schaffen, wie der Monokultur der eigenen Blase wieder frische Nahrung zuführen, wie unterschiedliche Konzepte verschränken bzw. anschlussfähig machen?

Ursprünglich für 2020 geplant, lädt die bedingungslose akademie in Kooperation mit dem Kulturstandort Wasserschloss Quilow (Mecklenburg-Vorpommern) im Juni 2022 die ausgewählten Künstler:innen/ Beteiligte zu einem mehrtätigen Treffen ein, um über partizipative künstlerische Praktiken, die zu Kollektivbildungen führen, und translokale Perspektiven – mittels konkreter Vernetzungen zwischen Stadt und Land – ins Gespräch und als Gruppe zusammenzukommen. Die Haltung, dass künstlerischer Ausdruck als Teil der Kultur, in der er entsteht, diese gleichermaßen darstellt und beschreibt sowie, zugleich, ihre Prozesse überprüft, ist dabei wesentlich.

Das künstlerische Rahmenprogramm, das am 23.06.2022 auf dem Schlossvorplatz stattfindet, beinhaltet ein Into-The-Wild-Dinner von Anne Duk Hee Jordan, eine Installation von Raul Walch, eine Installation des Künstlers Viron Erol Vert und eine Lesung der Autorin Donata Rigg.

Die Prozesse der Zusammenkunft und das Into-The-Wild-Dinner werden von der Filmemacherin Dafne Narvaez Berlfein dokumentiert und auf der Website der bedingungslosen akademie veröffentlicht.

AHAOK nähert sich für die ba dem Thema How to perform a collective zeichnerisch an  – wie schon 2016 bei How to perform deliberation mit einem poetisch-humorvollen Blick.

Das Dinner am 23.06.2022 ist für 30 geladene Gäste konzipiert.

Ein kollektives Menü für den Wasserlöwen

  1. Gang: Kresse mit Koreanischen besoffenen Eiern
  2. Lauch-Süppchen mit Erdpilz und Feuer in einer halben Pute
  3. Ziegenkäse in grünem Chlorophyll eingehaucht mit einer sinnlich verkohlten Aubergine und Wasserlöwen Gebrüll

Künstlerische Positionen

Anne Duk Hee Jordan
Das Into-the-wild-Dinner ist als kollektive Epiphyte zu verstehen. Der dafür konzipierte Tisch wurde am Tag der Arbeit, 01.05.2022, gebaut und es wurde gemeinsam gesät und angepflanzt. Er stellt ein gemeinsames Miteinanderwachsen von essbaren Pflanzen dar. Seit längerer Zeit gibt es zwischen Nahrung und Pflanzen nur mehr wenig Verbindung. Die Protagonisten sozialer Esserfahrung sind längst vergessene Kräuter und lokale Gemüsesorten, die Jordan in eine essbare Skulptur transformiert. Die Künstlerin zeigt so Alternativen der pflanzlichen Fülle auf, die in Zeiten des Klimawandels und globaler Migration auf die Grundlagen des ökologischen Kreislaufs zurückgehen. Die Besucher:innen sind eingeladen, sich auf eine genussvolle Abenteuerreise der eigenen Wahrnehmung zu begeben und die dargebotenen Früchte zu verzehren. Into The Wild ist eine soziale Skulptur, die für alle offen ist. Menschen verschiedenen Alters und Backgrounds sind eingeladen, am Tisch Platz zu nehmen, gemeinsam zu essen, gemeinsam zu philosophieren und zu diskutieren. Into The Wild stellt eine lukullische Heterotopie dar und beschäftigt sich mit Themen wie Hunger, Nahrung und deren Auswirkungen auf sozialer, ökonomischer und politischer Ebene.

Raul Walch
Raul Walch interessiert sich für die unterschiedlichen Funktionen von Textilien und verwendet sie häufig in seinen Arbeiten. Ob in Form von Kostümen, Fahnen, Segeln oder Unterkünften – die Arbeiten werden oft in Zusammenarbeit und für eine partizipative Nutzung hergestellt. Auf einer Fläche von 10×10 Metern hat Walch einen Versammlungsort und intimen Raum für kollektive Aktionen in Form eines Zeltes geschaffen. Das funktionelle Kunstwerk besteht aus roten und schwarzen Stoffdreiecken, ist ein visueller Kontrast zu der üppig grünen Landschaft des Wasserschlosses Quilow und verweist auf die politischen Strukturen, die in der Region im Spiel sind. Das Innere des Zeltes ist mit einem farbenfrohen Arrangement bemalt, das alle, die es betreten, einhüllt.

Viron Erol Vert
Komplementäre Ringskulptur 1
Bei vielen seiner jüngeren Arbeiten geht es Vert darum, eine Ausstellungssituation zu generieren, in der durch eine künstlerische Gestaltung des Raumes auf verschiedenen  Ebenen eine Situation entsteht, in der sich das Kunstwerk mit der Anwesenheit der Betrachter:in aktiviert und konstituiert. Die Ängste und Wünsche, die Eindrücke, das Wissen und die Fähigkeiten der Anwesenden vermengen sich in einer kollektiven Erfahrung des Austausches mit den skulpturalen Elementen. Der zu einem sozialen Körper transformierte Ort kann so von einer Atmosphäre der Konzentration und Kontemplation geprägt werden.

Für How to perform a collective hat sich Vert reflektiv mit den verschiedenen Lagen der wechselseitigen Historie Schloss Quilows auseinandergesetzt. Aus seiner Recherche erarbeitet er hier eine zweigeteilte ringförmige Aufenthaltsskulptur, die die Gegensätzlichkeiten menschlicher und gesellschaftlicher Lebenswege durch ihre komplementäre Farbgebung visualisiert darstellen möchte. Die von Vert geschaffene Skulptur lädt die Bewohner- und Besucher:innen des Ortes zum gemeinsamen reflektiven Verweilen an verschiedenen Momenten im Alltag auf und mit Schloss Quilow ein.

Beteiligte

AHAOK zeichnet mit Verve, frei und für internationale Publikationen und Auftraggeber. www.ahaok-illustration.com

Dafne Narvaez Berlfein (Künstlerin, Aktivistin) arbeitet als Film- und Videokünstlerin, Forscherin und Kulturproduzentin. Ihre Praxis konzentriert sich auf multi- und interdisziplinäre kollaborative Prozesse aus einer intersektionalen Perspektive, insbesondere in den Bereichen Film, Klangkunst und Performance, mit dem Ziel, dezentrierte Repräsentationsweisen zu erzeugen.

Pauline Doutreluingne ist Kuratorin und visuelle Forscherin in Berlin. Mit ihrer Arbeit versucht sie, kulturelle und ökologische Differenzierungen anzuregen und aus kolonialem Denken stammende gesellschaftliche Ideen zu dekonstruieren. Ihre kuratorischen Projekte sind Dialoge und Recherchen für ein ideenreiches Denken. www.paulinedoutreluingne.com

Anne Duk Hee Jordan, Vergänglichkeit und Transformation sind Jordans zentrale Themen. Sie baut u. a. motorisierte Skulpturen und schafft essbare Landschaften. www.dukhee.de

Kathrin Pohlmann, kollektiv arbeitende Künstlerin, Kuratorin und Produzentin von Ausstellungen, seit 2014 u. a. in der Galerie Wedding, Berlin. Von 2003-18 Teil des Künstler*innenkollektivs VIP, Mitbegründerin von die bedingungslose akademie (s.o., 2011-), ACAB (s.o., Artists Care About Bridges, 2018 -) und XO Curatorial Projects (mit Solvej Helweg Ovesen, 2021-). www.revoluzy.org,  www.xocuratorialprojects.org

Donata Rigg, freie Autorin und Lektorin. Mitglied in verschiedenen literarischen und künstlerischen Kooperationen. Ihr letztes Buch Die Facette handelt von brüchigen Identitätskonstruktionen im künstlerischen Prekariat. www.werspricht.de

Wayra Schübel – Art Communication ist eine unabhängige Beratungsagentur für Kommunikation mit Fokus auf strategische Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für bildende, performative und aktivistische Kunstprojekte. www.wayraschuebel.com

Viron Erol Vert untersucht Disziplinen, Räume und Zeiten auf der Suche nach neuen Dimensionen, um abstrakte und theoretische Grenzen zu finden und zu überwinden, um das Leben mit der Qualität der Potenzialität, mit akustischen, sozialen und körperlichen imaginären Räumen zu bereichern. Sein Interesse gilt der wissenschaftlichen Forschungen und monotheistische Religionen, kulturelle Narrative und Klischees, Elemente der Clubkultur und handwerkliche Traditionen.

Raul Walch arbeitet als Bildhauer und Konzeptkünstler, schlüpft in seinen Arbeiten aber ebenso selbstverständlich in die Rolle des Performers oder Forschers. www.raulwalch.net


how to perform an art school

Do not go gentle into that good night
(Gedanken, Flugschriftform)

Wir haben es begriffen: In Zeiten des Kreativen Wirtschaftens steht die Idee der Kunsthochschule auf dem Prüfstand. Seit je war sie ein Ort der Wissensvermittlung, der sich, in Abgrenzung zur wissenschaftlichen Theorie (Ergebnis), durch das praktische Anwenden (Prozess) ihres Gegenstandes (Kunst) definierte. Seit je schlug sie sich mit der Problematik herum, wie eine künstlerische Arbeit bewertet werden solle, ob es überhaupt sinnvoll sei, für kreatives Schaffen Diplome zu verteilen. Seit je bewegte sie sich an der Schnittstelle von autonomer Äußerung (Freiheit, den Kontext zu hinterfragen) und Rechtfertigung ihres Erfolgs (Zugriff durch staatliche Institutionen).

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Die bedingungslose akademie

the-office(frage3)

Trafen sich zwei, die hatten sich noch nie gesehen, dabei wohnten sie beide in der Stadt, die klein war. Sie hatten schon oft denselben Gehsteig benutzt, auf dieselben öffentlichen Uhren geschaut. Schnell stellten sie fest, daß sie beide den Witz kannten: Gingen zwei Dichter an einer Kneipe vorbei.
Da es viel zu berichten gab, setzten sie sich an den Tresen und warfen die Netze im Leben der anderen aus. Schnell spürten die beiden, daß die Fische ziemlich groß waren, die es zu fangen galt, wie schön, allerdings auch ganz schön zappelten. Es mußte doch noch eine andere Lösung geben, als ihnen so einfach wie grob mit dem Knüppel eins überzuziehen!

Am Ende saßen sie am Küchentisch, der ab dann lange blieb.
Wir lassen hier aus, daß sie beide Ende der 70er Jahre geboren und Nesthäkchen sind, je zweimal und hintereinanderweg studiert haben, addiert einen großen Schädel haben und subtrahiert ein weiches Herz. Multipliziert sind sie proportional zu drei der sieben Todsünden, dividiert ist die eine bildende, die andere schreibende – ein gemeinsames K. ist definitiv vorhanden.
Und: Wir sind Sie.

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Es gibt die ba. Es gibt scheitern will gelernt sein. Es gibt Kosmos. Und es gibt Indizien.

Anzunehmen, dass die Gründerinnen der ba, Kathrin Pohlmann und Donata Rigg, über Kosmos verfügen. Anzunehmen auch, dass die Dringlichkeit dieser Akademie(gründung) eben diesen, ihren Kosmos entspringt. Einen Teil dieses Kosmos erfasste das Archiv der Indizien, indem es das Lektürespektrum der beiden Gründerinnen katalogisierte.
Bekannt aus dem Bibliothekswesen ist, Buchtitel mit Hinweisen zu bestücken, die dem Lesenden helfen sollen, ein Buch zu finden. Das Archiv der Indizien behält bei seiner Katalogisierung einige dieser herkömmlichen Hinweise bei, andere erklärt es für irrelevant und fügt im Tausch relevante ein. Einen Hinweis jedoch, um zum Kern vorzustoßen, übersetzt das Archiv der Indizien. Es (über)setzt anstelle des Schlagwortes ein Indiz.

Und so gibt es Kosmos. Es gibt Indizien. Es gibt scheitern will gelernt sein. Und es gibt die ba.

(Claudia Gülzow, 2012)

 


Die ausführliche Videodokumentation der einzelnen „Vorlesungen“ ist in Arbeit…

 

 

 

 


Kathrin Pohlmann arbeitet seit 2003 zusammen mit Lysann Buschbeck und Grit Hachmeister in dem Künstlerinnenkollektiv VIP.

Kathrin Pohlmann ist der Boss der bedingungslosen akademie und lebt in Berlin.


a broken line is still a line

 


Kooperation und Krise

Kleiner Ratgeber für angeschlagene revolutionäre Herzen

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